Interview mit Uli Merkle: Zell feiert großes Fasnachtsjubiläum
Zum großen Jubiläum „390 Jahre Zeller Fasnacht“ traf sich Verena Wehrle mit Uli Merkle, einem eingefleischten und engagierten Zeller Fasnächtler. Sie sprach mit ihm über die Entstehung, einzigartige alte Traditionen und die Höhepunkte des Jubiläums.
390 Jahre Zeller Fasnacht – das große Jubiläum steht bevor. Ihr feiert dies am 21. und 22. Januar mit einem großen Freundschaftstreffen. In weitem Umkreis gibt es keine Ortschaft, die auf eine solche lange Fasnachtstradition wie Zell zurückblicken kann. Wie ist denn die Zeller Fasnacht entstanden?
Der erste schriftliche Beleg von der Zeller Fasnacht stammt von 1627, was da genau war, kann man nicht sagen, vermutlich aber mehr Randale als Fasnacht. Das war ja mitten im 30-jährigen Krieg, da hatte sicher keiner Interesse daran gehabt, lustig zu feiern. Eher also ein Aufbegehren gegen die Obrigkeiten. Zell hat zu Vorderrösterreich gehört und war ziemlich weit weg von der Hauptstadt Wien, die Zeller haben sich sicherlich etwas vernachlässig gefühlt, da kann man sich vorstellen, dass es zu einem Aufstand gekommen ist. Bekannt geworden ist das Ganze, weil die Regierung in Wien eine Depesche geschrieben hat an die Landesregierung von Vorderösterreich nach Freiburg, dass sie „das unnötige Fasnachtstreiben mit Vermummungen unterbieten sollten“. Das war so das Erste, was wir davon wissen.
Aber die Zeller Fasnachtsgesellschaft selbst ist erst viel später entstanden….
Ja, in den 20er-Jahren, nach dem ersten Weltkrieg, wo man versucht hat, die Fasnacht in geordnete Bahnen zu lenken. Vorher hat schon verschiedene Veranstaltungen gegeben, die von den einzelnen Vereinen organisiert wurden. Vermutlich wurde sie 1925 gegründet.
Zell ist weit und breit für seine Fasnacht bekannt. Was macht die Zeller Fasnacht denn so besonders und einzigartig?
Ich glaube das Einzigartige ist die Tradition, dass das Ganze gewachsen ist. Das hat sich über Jahrhunderte entwickelt. Und das andere ist das große Zusammengehörigkeitsgefühl – jeder hilft jedem. Im Zeller Narrenmarsch, der aus den frühen 1930er-Jahren stammt, heißt es ja schon: „Alti, Junge, Dicke, Dünne“. Das heißt ja, damals hat man schon an einem Strang gezogen. Auch wenn ein gewisser Wettbewerb herrscht zwischen den Vogteien. Hinter den Kulissen hilft man sich.
Zell ist mega bekannt für die Fasnacht, so dass von überall Leute zu den Fasnachtsveranstaltungen kommen. Woran liegt das?
Das liegt in der Vergangenheit, weil grad auch schon in den 20er-Jahren war in Zell der einzige Fasnachtsumzug, es waren dort die größten Veranstaltungen, da gab es Sonderzüge, die nach Zell gefahren sind. In den frühen 50er-Jahren hat die Bundesbahn einen sogenannten „Samba-Wagen“ abgestellt am Zeller Bahnhof, wo „Schwof“ war über Fasnacht und das hat sich halt rumgesprochen zu Zeiten als es in anderen Ortschaften noch keine Umzüge gab. Nur in Todtnau gab es schon vorher Umzüge.
Am Ölfte Ölfte 1966 wurde erstmals der „Zeller Hürus“ präsentiert. Wie ist er denn entstanden?
Der Hürus hat damals den Prinz Karneval abgelöst. Die Zeller haben sich Gedanken gemacht wie man die Zeller Fasnacht vom rheinischen Karneval trennen kann. Die Figur kommt nicht von ungefähr, weil die Adligen, die über Jahrhunderte hinweg in Zell das Sagen hatten, waren die Herren von Schönau und hatten den Beinamen „Hürus“. Das bedeutete „großer, starker, mächtiger Mann“. Er hatte aber auch einen negativen Touch und hat im schlimmsten Fall „Lumpeseckel“ heißen können. Denn er hatte auch die Gerichtbarkeit in, alle Streite und Vergehen sind auch vor Gericht gekommen, wo ein Hürus den Vorsitz hatte. Die Streitigkeiten spielen wir auch heute noch an der Fasnacht, wenn wir der Hürus die einzelnen Vogteien an den Kappenabenden besucht und dann beginnt man eigentlich immer Streitgespräche zwischen Vogt und dem Hürus, dass jeder seine Schlagfertigkeit demonstriert – aber nur zur Freude der Anwesenden.
Er ist ja schon eine einzigartige Institution dieser Hürus. Für alle, die ihn nicht kennen: Was ist seine Aufgabe an Fasnacht?
Er ist der Regent, der oberste Zeller. Er besucht seine Untertanen und sorgt für Recht und Ordnung und lässt sich von uns Zellern anhimmeln. Er hat insgesamt rund 80 Termine, hat einen strengen Tagesablauf. Ihm zur Seite steht immer ein Kanzler, der ihm genau sagt, war er zur machen hat und er hat einen Zeremonienmeister, Pagen und zwei Gaukler.
Es ist der Traum eines jeden Zeller Fasnächtlers, einmal im Leben Hürus sein zu dürfen. Wie wird man Hürus?
Auch das ist eine geheimnisvolle Sache. Man wird Hürus, in dem man ein Telefonanruf bekommt und der Präsident ist am anderen Ende der Leitung und fragt „Würdsch es mache?“. Wenn jemand „Ja“ sagt ist es ein vertrautes Gespräch und somit weiß sonst keiner davon. Der Präsident wählt denjenigen alleine. In Zell gibt es viele, die vor dem 11.11. gerne diesen Anruf erwarten würden.
Welche Voraussetzungen braucht man dazu?
Man muss einfach aktiver Fasnächtler sein.
2003 wurdest auch du Hürus. Der Hürus Uli, Vogt vom Sunneland. Wie war diese Zeit für dich?
Was Schöneres kann man sich nicht vorstellen, wenn einem plötzlich alles zu Füßen liegt, wenn sich da plötzlich Türen öffnen, man steht plötzlich so im Mittelpunkt, alle wolle einem helfen, Sonntagmorgen werden stets frische Brötchen gebracht und abends Essen, man wird richtig verwöhnt.
Besonders ist auch, dass in Zell jede Vogtei ihren eigenen Kappenabend feiert. Warum feiert ihr nicht wie in anderen Ortschaften einen gemeinsamen?
Die Vogteien haben sich entwickelt – zum Teil die Älteste, die Grönländer schon 1897 – als eigene Fasnachtsgemeinden, wo man die Stadtverwaltungen nachgespielt hat. Jeder Ortsteil ist eine eigene Vogtei. So ist auch der Wettstreit zwischen den Vogteien entstanden. Die Kappenabende sind als Bürgerversammlungen entstanden. Es gibt jetzt noch Vogteien mit traditionellen Figuren wie Hebamme, Polizist und Schermüser, die dann berichten. Es gibt in einigen Vogteien auch noch den sogenannten Bürgernutzen, das heißt, es gibt was zu essen auf Kosten der Vogtei.
Eine besondere Tradition ist auch das Altiwiiberrenne, der Höhepunkt des Fasnachtsdienstags. Was geht da in Zell vor?
Das ist auch eine ganz alte Tradition, ist in den 20-er-Jahren entstanden, was Typisches aus Zell. „Die Alti“ kommt aus der Fabrikzeit mit vielen Arbeitern, für die das Einfachste und Günstigste war eine „Alti“ an Fasnacht zu machen mit alten Kleidern und Kochlöffel in der Hand. Das Schöne ist dann, dass viele „Alti“ unterwegs sind und man nicht weiß, ob es ein Mann oder eine Frau ist, die einem da auf dem Schoß sitzt. Im schlimmsten Fall ist es die eigene Frau, da muss man aufpassen, was man erzählt. Das Altwiiberrennen ist ein Hindernislauf, bei dem einzelne Gruppen von alti Wiieber in spektakulären Sprüngen die Kirchstraße runterkommen, das sind meist junge Kerle, Sportler. Das muss man schon mal gesehen haben, das gibt es sonst nirgends.
Zur Zeller Fasnacht gehört auch die Fasnachtszeitung…
Ja, die mache ich seit zehn Jahren. Das wird meine letzte sein. Das reicht mir mal, das ist eine Heidenarbeit, 20 A3-Seiten. Ich muss das Ganze Jahr sammeln, dass ich was zusammen bekomme. Ich habe eine Kinderreporterin, die mir eine Seite macht und zwei Rentner, der Ex-Präsident Rudolf Phillip und Alfred Knauber. Jetzt müssen wir einen Nachfolger finden.
So ein Zeller Fasnächtler opfert schon ziemlich viel Freizeit?
Ja, für die Zeitung benötige ich schon so zwischen 80 und 100 Arbeitsstunden irgendwo zwischen Heilig Abend und Hemdglunki. Da gibt’s in Zell etliche Leute, die für den Wagenbau einen Teil oder den ganzen Jahresurlaub spenden, dass welche zwei Wochen Urlaub nehmen für den Wagenbau, das gibt es schon. Die sind richtig angefressen.
Das Freundschaftstreffen „390 Jahre Zeller Fasnacht“ soll ein weiterer Meilenstein in der langen Geschichte der Zeller Fasnacht sein. Wie sieht euer Jubiläumsprogramm aus?
Wir beginnen am Samstag, 21. Januar, da wird der erste Narrenbaum von der befreundeten Zunft in Schönau gestellt. Gleichzeitig eröffnen wir das Narrendorf. Ab 19 Uhr machen wir „ e verruckte Nacht“ in Zell unter dem Titel „schnurre – strähle – klepperle“. Mehrere Cliquen mit über 1000 Teilnehmern werden ihre Bräuche darstellen, die wir in Zell so nicht kennen. Die ganze Nacht wird Remmi-Demmi sein.
Dann geht’s weiter am Sonntag, 22. Januar um 10 Uhr, da werden wir in der katholischen Kirche einen ökumenischen Narrengottesdienst erleben – auch wieder ein Novum. Unter Mitwirkung der Stadtmusik und Latschari-Sängern.
Dann gibt’s um 11 Uhr einen Zunftmeisterempfang, dann beginnt um 14 Uhr der große Jubiläumsumzug mit genau 3280 Teilnehmern und die Zünfte kommen aus einem großen Einzugsbereich aus dem Schwarzwald, vom Hochrhein bis zum Bodensee, vom Allgäu, aus der Schweiz… Wir haben speziell Zünfte eingeladen, die noch nie in Zell waren. Natürlich sind auch unsere befreundeten Zünfte dabei.
Danach ergießen sich über 3000 Hästräger über das Narrendorf in Zell in der Innenstadt, dann wird es auch wieder auf den drei Bühnen Darbietungen geben.
Wo verläuft denn der Jubiläumsumzug?
Er wird im Grönland aufgestellt, läuft dann die Schönauer Straße vor bis zum Latschari-Platz bis zur Wiesebrücke, dann Wiesestraße, Schwarzwaldstraße, nochmal Latschari-Platz und dann Kirchstraße hoch zum Narrendorf. Moderiert wird er an der Sparkasse von mir und noch jemandem. Die Umzugslänge ist 1,4 Kilometer. Die Dauer rund 3,5 Stunden!
Hast du einen Geheimtipp wo man gut hinstehen kann?
Ich würde mich an die Alte Straße stellen Richtung Grönland.
Mit wieviel Besuchern rechnet ihr?
Wir sind natürlich vom Wetter abhängig, wir rechnen schon mit zwischen sechstausend und zehntausend Besucher, also darauf sind wir eingerichtet.
Eure Jubiläumsausstellung in der Sparkasse wurde ja bereits eröffnet. Was gibt es dort zu sehen?
Ursprünglich war die Ausstellung als Darstellung von verschiedene „Fasnachtshäs vom Oberrhi“ geplant, unser Ausstellungskurator Peter Zluhan hat aber so viel Material aus Zell gefunden, so dass es mehr oder weniger eine Zeller Ausstellung geworden ist mit vielen Original-Masken, -Kostümen aus der Vergangenheit. Zu sehen ist zum Beispiel das alte Prinzenkostüm, alte Hüruskostüme, ein Schrätteli-Kopf aus den 30-er Jahren, Fasnachtszeitungen bis zurück in die 20 er Jahre und vieles mehr. Die Ausstellung ist noch bis zum Aschermittwoch geöffnet. Die Exponate sollen dann später im Zeller Fasnachtshuus ausgestellt werden.
Eine Neuerung ist auch der erste Narrenbaum, der in Zell aufgestellt wird und zwar von den Schönauern. Wie kam es denn dazu?
Wir waren letztes Jahr so dreist und haben den Narrenbaum in Schönau gesponsert und sind da mit Katz und Maus in Schönau aufgekreuzt, normal wird er nur von Schönauern gespendet. Dort wir den Zeller Narrenmarsch gespielt, was nicht so gut ankam. Das ist jetzt „der Racheakt der Schönauer“, dass sie uns einen Baum stellen. So einfach ist das aber gar nicht. Wir hatten sehr viel Aufwand, das Fundament dafür zu bauen, die Schönauer haben uns dabei übrigens geholfen. Wir hoch der Baum wird, haben sie nicht verraten. Aber die Schönau lassen sich sicherlich nicht lumpen. Übrigens: Der Baum der Schönauer kommt aus dem Zeller Wald.
Das Interview führt Verena Wehrle – meinWiesental Redaktion.
Wir danken Uli Merkle für das angenehme Gespräch.