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„Es ist eine Frage des politischen Willens“

Bürgermeister Christof Nitz gibt sich in der Frage des Zentralklinikums kämpferisch

Schopfheim (hf). In zwei Bürgerversammlungen hatte Bürgermeister Christof Nitz die Bewerbung Schopfheims als Standort für das geplante Zentralklinikum umfassend vorgestellt und die Vorteile des Grundstücks in Gündenhausen, wie auch mögliche Bedenken aufgelistet. Nachdem die vorläufige Bewertung der Standortfrage nach der Klausur des Kreistags, bei der die Bewerbung Schopfheims wegen der „Roten Karte“ des Landkreises aufgrund der Wasserschutz-Zone 2 „hinausgekegelt“ wurde, macht sich in Schopfheim – aber auch anderswo – Enttäuschung  über den Verlauf des Verfahrens und Verärgerung über die als willkürlich empfundene Bewertung der Bewerbungen breit. MeinWiesental.de hatte die Gelegenheit mit Bürgermeister Christof Nitz über die aktuelle Situation zusprechen.

meinWiesental: Herr Nitz, in den Bürgerversammlungen haben Sie immer wieder hervorgehoben, wie fair, offen und ehrlich die Beratungen zur Frage des Zentralklinikums verlaufen sind. Nachdem Schopfheim jetzt die „Rote Karte“ erhalten hat: sind Sie enttäuscht?

Christof Nitz: Natürlich bin ich enttäuscht. Das Ergebnis der Klausur kam zwar nicht völlig überraschend. Aber das Verfahren, das  zu diesem Ergebnis geführt hat, erscheint mir doch fragwürdig.
Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass die Entscheidung, das Verfahren hin zu einer Lösung der Klinikfrage für den Landkreismit Begleitung einer externen Beratungsfirma genau richtig war. Die ganzen Beratungen bis jetzt waren geprägt von Offenheit und Fairness unter allen Beteiligten. Diesen Weg hat man jetzt verlassen.

mW: Wo liegt der Unterschied?

CN: In der Frage der Analyse der Ausgangssituation, der Klärung ob alte Krankenhäuser saniert oder ein neues Zentralklinikum geschaffen werden soll, hat die Projektgruppe unter der Moderation von André Consult konstruktiv zusammen gearbeitet. Auch das Grundgerüst der Bewertungsmatrix wurde gemeinschaftlich geschaffen. Aber die eigentliche Bewertung der Bewerbungen, deren Ergebnis uns an der Klausur präsentiert wurde, wurde nur von den Verantwortlichen des Landratsamtes und der Kliniken GmbH erstellt. Es wurde nicht im Aufsichtsrat der Kliniken GmbH vorbesprochen. Der kooperative Weg für eine Lösungsfindung wurde verlassen.

mW: Und die Bewertung haben Sie nicht mehr als „offen, fair und ehrlich“ erlebt?

CN: Die Bewertung einzelner Aspekte der Bewerbungen und ihre Gewichtung sind in der Tat nicht mehr nachzuvollziehen.

Wasserschutzzone 2 und Rote Karte

mW: Beginnen wir mit der wichtigsten Frage. Das Grundstück in Gündenhausen liegt in der Wasserschutzzone 2, in der Bauaktivitäten ausgeschlossen sind. Dafür hat Schopfheim die „Rote Karte“ bekommen und ist damit praktisch raus aus dem Rennen.

CN: Die Frage der Wasserschutzzone 2 ist alles andere als neu. Schon 2009 wurde die Frage aufgeworfen als die Stadt Schopfheim über eine Erweiterung des Gewerbegebiets in Gündenhausen nachdachte. Schon damals wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das klären soll, wie die Grundwasserströme heute tatsächlich fließen und ob die Wasserschutzzonen nicht neufestgelegt werden müssen. In dieser Frage arbeiten der Landkreis und die Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe zusammen. Die Ergebnisse dieses Gutachtens werden wir am heutigen Freitag – 3. Februar 2017 – erhalten. Dann muss das Gutachten geprüft werden. Sollte sich bestätigen, dass sich die Situation wesentlich verändert hat, müsste das  Grundstück in Gündenhausen aus der Wasserschutzzone heraus genommen werden.

mW: In der Presse war zu lesen, dass die Landrätin mitgeteilt hat, das Gutachten wäre eine Sache. Aber die Schutzzonen-Einteilung wäre etwas ganz Anderes. Eine solche Veränderung könne sehr lange dauern.

CN: Und hier liegt genau der Punkt. Es ist eine Frage des politischen Willens, ob die Zonen-Einteilung verändert wird, und wie schnell das gehen kann. Der Landkreis entscheidet über solche Veränderungen und hat damit auch Einfluss darauf wie schnell das geht.
Wird Gündenhausen aus der Zone2 heraus genommen, dann ist die so genannte „Rote Karte“ hinfällig und in der Bewertung hätte der Standort Gündenhausen 91 Punkte, der Standort Lörrach 81 Punkte. Schopfheims Bewerbung wäre klar vorne.

mW: Bei der Klausurtagung haben Sie gefordert, es müsse mehr Transparenz geschaffen werden, alle Fakten müssten auf den Tisch. Welche Fakten fehlen denn noch? Wie hoch sind die Gesamtkosten, und wer bezahlt sie?

CN: Bisher sind die konkreten Kosten für das Gesamtvorhaben noch nicht dokumentiert und bewertet worden. Das fängt bei den Grundstückskosten an (zwischen 30 Euro pro Quadratmeter in Schopfheim und 130 Euro in Lörrach), über die reinen Baukosten (Erdbebenzone 3 in Lörrach) und die Erschließung des Areals an den Verkehr.
Man stelle sich vor, was die Verlegung einer Landstraße kostet, die Querung der Bahnlinie in Lörrach mit einer Unter- oder Überführung, einen Anschluss an die B 317 oder der Bau einer zusätzlichen S-Bahn Haltestelle Lörrach-Entenbad. Alles Kosten, die in Schopfheim nicht anfallen. Und hier ist noch nicht festgehalten, wieviel Zeit es braucht um die erforderlichen Genehmigungen zum Beispiel von der Deutschen Bahn zu erhalten.

mW: Über welche Kosten reden wir und wer trägt sie?

CN: Die konkreten Kosten kenne ich nicht. Sie sind noch nicht bekannt gemacht worden. Wenn man einen zweistelligen Millionenbetrag annimmt, liegt man sicher nicht falsch. Da ein solches Projekt – egal wo es realisiert wird – mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, bezahlt das letzten Endes der Steuerzahler, also wir alle.

„Faire“ Bewertung und die Bedeutung des ländlichen Raums

mW: Die Bewertungen, die an der Klausurtagung vorgestellt wurden, sind zum Teil heftig kritisiert worden. Wo liegt die Kritik?

CN: Die Befürchtung gab es schon lange, dass es eine gewisse Vor-Festlegung für den Standort Lörrach gab. Und die Klausurtagung hat diese Befürchtungen bestätigt. Lassen Sie mich nur das Beispiel „S-Bahn-Haltestelle“ herausgreifen. Schopfheim, das eine Haltestelle am Klinikstandort vorweisen kann, bekommt nur 60 Prozent der möglichen Bewertungspunkte. Aber Lörrach bekommt noch Wertungspunkte gutgeschrieben, nur weil sie in einiger Entfernung der vorbeifahrenden S-Bahn zuwinken können. So wurde – nach meiner persönlichen Meinung – mit teilweise „plumpen“ Argumenten  alles unternommen, um den Standort Lörrach „schön zu bewerten“ und mögliche Gegenkandidaten mit fragwürdigen Methoden schlecht zu machen.

mW: Ist das auch ein Versuch, den ländlichen Raum gegenüber dem Ballungsraum Lörrach/Weil abzuhängen?

CN: Ich glaube nicht, dass man den ländlichen Raum absichtlich abhängen will. Aber de facto wird es darauf hinauslaufen. Öffentliche Verwaltung und Versorgung wird in den Oberzentren konzentriert, und der ländliche Raum wird in der generellen Lebensqualität schlechter gestellt.
Dabei hätte die Landrätin, die die Förderung des  ländlichen Raums in ihren Reden gerne und oft beschwört, hier die Möglichkeit gehabt, Lippenbekenntnissen Taten folgen zu lassen. Ein Zentralklinikum führt in der Folge zu einer verstärkten Ansiedlung von Ärzten, medizinischen Dienstleistern  und somit zu einer besseren medizinischen Versorgung im ländlichen Raum. Zuzug von Medizinern und Mitarbeitern belebt den ländlichen Raum wirtschaftlich und kulturell. Hier liegen gewaltige Möglichkeiten, dem ländlichen Raum mittel- und langfristig eine positive Perspektive zu bieten.

Ihre Wünsche für den weiteren Verlauf?

mW: Ein Zentralklinikum in Schopfheim hat für die Zukunft der Entwicklung im Wiesental, aber gerade auch für die weiter abgelegenen Bereiche im Oberen und Kleinen Wiesental eine große Bedeutung. Was wünschen Sie sich für den weiteren Verlauf?

CN: Einen weiteren Projektverlauf auf Basis von Zahlen und Fakten, mit ehrlicher und fairer Diskussion und ohne Trickserei. Es sollte auch klar sein, dass ein seriöser Entscheid über die Standortfrage im März nicht möglich ist. Man sollte dem Prozess mehr Zeit geben.
Und für die Bürger-Information der Landrätin am kommenden Montag – 6. Februar2017 – in der Schopfheimer Stadthalle wünsche ich mir, dass möglichst viele Bürger zu der Veranstaltung kommen und durch ihre Fragen und Stellungsnahmen der Landrätin klar und unmissverständlich vermitteln, was sie in dieser zentralen Frage von der Politik erwarten.

Das Interview führte Heiner Fabry – meinWiesental Redaktion.

Wir danken Bürgermeister Christof Nitz für das Gespräch.

Hier finden Sie noch aktuelle Informationen zum Zentralklinikum im Lkr. Lörrach // als PDF zum Download

Wir finden Sie sollten ungefiltert alle Informationen erhalten, welche wir in der Redaktion erhalten haben.

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