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„Genauso gerne in Böllen wie auf den Malediven“

Interview mit Ottmar Hitzfeld zu seiner starken Heimatverbundenheit

ottmar_hitzfeld_meinwiesental-interviewAls einer der erfolgreichsten Trainer ist Ottmar Hitzfeld schon überall in der Welt herumgereist. Doch das ist nicht seine Leidenschaft. Sein Herz schlägt für Lörrach und das Dreiländereck, wo er lebt. Verena Wehrle sprach mit ihm über Heimweh und seine stark ausgeprägte Heimatverbundenheit.

Ich habe Sie bei einem Gesprächsabend in der DHBW Lörrach kennengelernt. Was mir besonders imponiert hat, war Ihre Bodenständigkeit, Ihre lockere, offene, ehrliche Art und Ihren Humor. Wie haben Sie es geschafft, trotz Ihrer großen Erfolge so bodenständig zu bleiben, also nicht abzuheben?

Ich glaube das hängt sicherlich mit meiner Herkunft, mit meinem Elternhaus zusammen, dass wir dazu erzogen wurden bodenständig zu bleiben, Respekt vor anderen Menschen zu haben, fast zu viel. Als Trainer hat man ja eine Vorbildfunktion. Für mich war das Führen von Menschen auf der Beziehungsebene ein wichtiger Auftrag – also offen und ehrlich zu kommunizieren.

Und Ihre Bodenständigkeit?

Ja, die hat natürlich auch mit meiner Heimat zu tun. Eigentlich wollte ich  früher nie weg von Lörrach, weil ich immer fürchterliches Heimweh hatte.

Ja, „Sollte ein Wort ganz eng mit Ottmar Hitzfeld verbunden werden, dann Heimweh“, hat Ihr Freund Josef Hochstrasser in Ihrer Biographie geschrieben. Wie sind Sie denn mit dem Heimweh umgegangen?

In früheren Jahren war es unglaublich schwierig, wenn ich nur zwei Wochen in den Ferien war im Caritas-Haus in Rickenbach oder sechs Wochen im Caritas-Haus auf dem Feldberg. Das war fürchterlich. Kennen Sie Heimweh?

Ja kenne ich.

Ja, wenn man das kennt, dann kann man es auch nachvollziehen. Ich war tieftraurig, hab viel geweint. Und Heimweh heißt ja nicht nur, nach den Eltern Sehnsucht haben, sondern auch nach dem Ort, wo man aufgewachsen ist, wo man Sicherheit hat, wo man das Gefühl hat, geborgen zu sein.

Und später ja auch, nicht nur als Sie Kind waren, als Sie erwachsen waren, war das ja auch so.

Ja, später war ich dann im Internat, da bin ich auch wieder abgehauen, weil ich es nicht ausgehalten  habe. Als Fußballspieler muss man Vereine wechseln, da hab ich auch schon sehr früh Angebote bekommen.

War da nicht auch ein Angebot von Uwe Seeler, dass Sie mit 21 Jahren abgelehnt haben?

Ja, Uwe Seeler hat gesagt, ich könnte bei Bundesligisten spielen. Ich hab zu der Zeit auch von Köln und Berlin Angebote gehabt, aber das war noch zu früh, ich war noch zu jung. Und alles war viel zu weit weg. Darum bin ich gerne beim FC Basel geblieben und 1975 hab ich das Angebot von Stuttgart gehabt. Da konnte ich dann alle zwei Wochen nach Lörrach fahren, meine Eltern und Freunde besuchen. Das war dann der erste Schritt von der Abnabelung von Zuhause.

Aber es ging Ihnen später ja auch nicht besser als Sie dann in München oder in Dortmund waren?

Ja, richtig. 1991 bin ich von der Schweiz nach Dortmund und da war ich erst zwei Monate alleine, weil wir noch kein Haus hatten und meine Frau blieb zu Hause mit dem Kind und da habe ich auch Heimweh gehabt, da wollte ich eigentlich auch zurück in die Schweiz, aber da hab ich mich durchgebissen und dann war ich ja sechs Jahre in Dortmund.

Das heißt Sie haben die ganze Zeit gelitten?

Das erste Vierteljahr war unglaublich schwer für mich. Da hätte ich gern viel Geld bezahlt, um wieder zurück zu können, aber dann muss man auf die Zähne beißen, weil man in der Bundesliga ist und einen Vertrag hat. Die Abnabelung von Lörrach habe ich dann mit der Zeit geschafft.

Sie haben ja schon in so vielen Wohnorten gelebt auf der Welt. Eigentlich könnten Sie ja überall leben, warum dann gerade in Lörrach?

Für mich war klar, wenn ich aufhöre als Trainer, dass ich dann auch wieder nach Lörrach zurückkomme. Wenn ich alt werden möchte, möchte ich es in Lörrach. Darum haben wir 2006 angefangen zu bauen und sind 2008 eingezogen. Den Nationaltrainerjob in der Schweiz habe ich auch angenommen, weil ich zu Hause leben wollte. Ich wolle nicht mehr in eine fremde Stadt oder in ein fremdes Land. Die Entscheidung war klar, dass es passen muss mit der Heimat.

Hier in Lörrach-Stetten hat alles begonnen, hier haben Sie zum ersten Mal in einer Mannschaft gekickt. Inwiefern hat das, was Sie hier gelernt haben, zu Ihrem großen Erfolg beigetragen?

Diese erste Station beim TUS-Stetten war wichtig für mich, da habe ich mich wohlgefühlt, wir waren eine Gemeinschaft. Meine Brüder haben beim TUS Stetten gespielt und da habe ich immer Bezug gehabt zum Verein. Mit 18 bin ich dann zum FV Lörrach, weil Lörrach einfach eine Klasse höher gespielt hat. Da war schon der Ehrgeiz da in einer besseren Mannschaft zu spielen. Da waren alle sauer beim TUS Stetten, aber da habe ich mich drüber hinweg gesetzt.

Gibt es für Sie einen typischen alemannischen Charakterzug?

Vielleicht, dass man sich zurückzieht, dass man nicht so weltoffen ist, vielleicht auch ein bisschen Verschlossenheit.

Haben Sie hier Ihre Ruhe?

Ja, hier oder auch in Engelberg, wo man zurückgezogen leben kann. Aber da gibt’s viele Touristen und da kommt es vor, dass man selbst auf der Skipiste mal ein Foto macht. Aber das finde ich eigentlich cool, noch ein Foto zu machen.

Was ist denn Ihr Lieblingsplatz im Wiesental?

Wir gehen einmal im Jahr nach Häg-Ehrsberg mit der ganzen Verwandtschaft und machen ein Feuer. Und ich war früher im Bauernhaus von meinem Onkel in Böllen.

Da haben Sie Ihre Hochzeitsreise hin gemacht?

Ja, ich war früher bescheiden.

Sie haben keinen Luxusurlaub gebraucht?

Nein, ich musste nicht nach Rimini. Wir waren mal in Italien mit 18 schon mit dem Auto, das war auch spannend, aber es hat mir nicht mehr gebracht als ein paar Tage in Rothaus oder die Flitterwochen in Böllen. Es war einfach schön und ruhig.

Wo fahren Sie hin, wenn Sie heute Urlaub machen?

Wenn wir heute Urlaub machen, dann gehen wir nach Engelberg. Ich war auch schon drei Mal auf den Malediven. Aber, wenn man das mal kennt, dann ist es nichts mehr Besonderes. Ich gehe genauso gerne nach Böllen oder Engelberg.

Genauso gerne nach Böllen wie auf die Malediven?

Ja, das kann man nicht glauben, aber zum Glück ist das so.

Ja, es ist schon schön, wenn man so heimatverbunden ist.

Ja, aber ich finde es ein bisschen schade, ich würde mich lieber freuen in der Welt rumzureisen, wenn man das als Leidenschaft empfinden würde. Aber das empfinde ich nicht. Das hat mit meiner Haftigkeit zu tun, dass ich halt lieber in der gewohnten Umgebung bin. Das steckt in mir drin.

Ich gehe gerne aufs Land. Im Markgräfler Land essen gehen, das ist für mich Erholung und Genuss. Ich gehe nicht in ein 5-Sterne-Restaurant in Basel, sondern aufs Land. Das genieße ich.

Sie sind nun Rentner, kommentieren Spiele auf Sky. Bei all dem Trubel, den Sie in Ihrem Leben hatten, wird Ihnen jetzt nie langweilig?

Nein, im Gegenteil, ich bin froh, dass ich jetzt endlich mal Ruhe habe und die Verantwortung nicht mehr habe. Und ich kann hier in Lörrach meinen Geburtstag feiern und nicht im Trainingslager, das ist auch etwas Besonderes.

Es hätte auch alles anders kommen können, Sie hätten auch Lehrer werden können?

Ja, ich hab mich ja angemeldet als Lehrer, zehn Jahre nach dem Studium. Aber, ich hätte eine Nachprüfung machen müssen. Dann habe ich gesagt, ich probiere es als Trainer. Ansonsten hätte ich als Lehrer gearbeitet und nebenbei den TUS Stetten trainiert.

Dann hätte der TUS Stetten jetzt aber einen besseren Platz.

Ja, dann wäre der TUS Stetten jetzt im bezahlten Fußball.

Das Interview führte Verena Wehrle – meinWiesental Redaktion.

Wir danken Ottmar Hitzfeld für das angenehme Gespräch.

 

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