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„Für mich gibt es nichts Schöneres als gewinnen und das Adrenalin, das man spürt“

Ottmar Hitzfeld in der DHBW Lörrach – offen, ehrlich und hautnah

Lörrach (vw). Kürzlich war bekannter Besuch in der DHBW Lörrach – Ottmar Hitzfeld, einer der erfolgreichsten Trainer der deutschen Fußballgeschichte. Im Rahmen des Studiums Generale sprach er in einer Podiumsdiskussion mit Lörrachs BZ-Chefredakteur Willi Adam und Rektor Theodor Sproll über „Fußball und Wirtschaft“ und zeigte die Parallelen auf zwischen beiden Bereichen. Schon schnell wurde klar, dass es hier so gut wie keine Unterschiede gibt. Das Schönste an dem Abend: Die offene, sehr lockere und bodenständige Art des Erfolgstrainers mit vielen Einblicken hinter die Kulissen, amüsanten Anekdoten und jede Menge Humor.

Ottmar Hitzfeld ist die Hochschule bestens bekannt, er selbst hat dort auf diesem Hügel Lehramt studiert. Nach seiner Karriere als Spieler folgte 1991 die Karriere als Trainer, zuerst bei einigen Schweizer Clubs, dann bei Borussia Dortmund und dann bei Bayern und zu guter Letzt bei der Schweizer Nationalmannschaft.

Der Vier-Fronten-Krieg

Überall, wo er war, habe er Erfolgsspuren hinterlassen, so Adam und fragte ihn nach seinem persönlichen Erfolgsrezept. Dahinter stecke viel Arbeit, so Hitzfeld, als Trainer führe man einen Vier-Fronten-Krieg mit der Mannschaft, dem Präsidium, den Fans und den Journalisten. Als Trainer müsse man wie auch in einem Unternehmen, ein Leader, ein Werteträger sein, so Hitzfeld, ein gutes Team zusammenstellen. Bei Bayern sei es eine Herausforderung gewesen, die Charaktere zusammenzustellen. Man müsse Vertrauen schenken, aber auch die Mannschaft straff führen. So habe er zum Beispiel Effenberg gerne eine Geldstrafe von 15 000 Euro aufgebrummt, als dieser mit zu viel Promille unterwegs gewesen war. Auch nach seinem fußballerischen Konzept fragte Adam. Dieses sei, immer was Neues zu machen, so war er es, der bereits bei seiner ersten Mannschaft, dem Sportclub Zug, die Viererkette einführte. „Ich wusste selbst nicht richtig wie es geht“, scherzte er. Doch diese habe sich bewährt, auch später bei den Spitzenclubs, genauso wie das von ihm eingeführte Pressing.

„Ich habe Glück gehabt, dass ich das richtige Feeling hatte und Erfolg damit“ – sagte Hitzfeld, ein klein wenig bescheiden.

Nur als Team funktionieren

Hitzfeld habe aber vor allem auch viel Kraft in die Mannschaftsführung und Teambildung  investiert, er erläuterte wie wichtig der Zusammenhalt sei. Er habe immer der Mannschaft erzählt, dass man nur als Team funktionieren kann. Das Wichtigste bei einem Spitzenclub sei, Konkurrenz zu schaffen, deshalb habe er bei Bayern auch die Rotation eingeführt. Die Rechnung ging auf. Dass Hitzfeld viel Wert auf Teambildung legt, wurde auch in seinen Anekdoten klar. Einst habe ein Präsident eines Schweizer Fußballclubs die Spieler nach einer Niederlage runter gemacht. Aber er nicht. Er habe hinter seinen Spielern gestanden –  immer. Es war sein Prinzip, die Spieler nie negativ zu belasten.
Dass Fußball und Wirtschaft so eng beieinander liegen, sei allein schon daran deutlich, dass die Wirtschaft die Sprache des Fußballs übernommen habe, sagte Sprol. In allen Themen in Bezug auf Führung, Ziele, Veränderung, Umgang gäbe es große Parallelen. Wie auch in der Wirtschaft müsse man als Trainer das vor leben, was man von den Spielern verlange und in jeder Mannschaft gäbe es aufgrund der gezeigten Leistung eine Hierarchie. In der Wirtschaft muss eigentlich immer ein Plan dahinter stehen. „Aber das macht Fußball so interessant, dass es nicht immer kalkulierbar ist, das Ergebnis ist das Entscheidende“, ergänzte Hitzfeld.

Der große Druck

fuer-mich-gibt-es-nichts-schoeneres-als-gewinnen-und-das-adrenalin-das-man-spuert-02Und dann sprach er offen und ehrlich über den großen Druck eines Fußballtrainers, gerade in einem Spitzenclub. Nach sechs Jahren bei Bayern sei er ausgelaugt gewesen – „dies waren wie 20 Jahre in einem normalen Club“ so Hitzfeld. Dann wurde er für die deutsche Nationalmannschaft angeworben und sagte ab. 2004 legte er eine Pause ein, litt an Burnout und Schlafstörungen. Er beschrieb diese Zeit besonders persönlich, überaus offen, hautnah. 2007 dann habe er sich wieder überreden lassen. Als Bayern zu der Zeit Dritter war, habe er schon damit gerechnet, dass sie anrufen, schmunzelte er. Dann war er „groß einkaufen“, hat dann das Double gewonnen und wechselte zur Schweiz.
Adam fragte, ob ein solches Amt nicht unmenschlich sei. „Unmenschlich ist es eigentlich nicht, ich mache es ja freiwillig.“. Und: „Leidenschaft kommt auch von leiden“. „Für mich gibt es nichts Schöneres als gewinnen und das Adrenalin, das man spürt“, so Hitzfeld. Schon 2008 habe er Anzeichen gespürt, endgültig aufzuhören. „Da sah ich älter aus las heute“, sagte er. Sproll verglich diesen Druck mit dem in der Wirtschaft, auch hier sei es relativ einfach an die Spitze zu kommen, viel schwieriger jedoch an dieser zu bleiben. Ausgebrannte Manager seien auch heute noch ein Tabu-Thema.

Auch über das Thema Integration wurde gesprochen. So sei Fußball ideal, um Menschen zu integrieren, es sei sehr ehrlich und man müsse Regeln einhalten. In Hitzfelds Schweizer Nati waren über die Hälfte Migranten. „Sonst hätten wir kein Spiel gewonnen“, sagte er, es lachten alle, aber er meinte es ernst. Auch die integrative Kraft in der Wirtschaft dürfe man nicht unterschätzen, so Sproll.

Verlängerung mit Fragerunde

fuer-mich-gibt-es-nichts-schoeneres-als-gewinnen-und-das-adrenalin-das-man-spuert-03Nach 90 Minuten war man am Ende des Spiels angelangt. Aber in der „Verlängerung“ durften die Studenten noch Fragen  an den großen Trainer loswerden. Was er heute macht, wollte jemand wissen. Heute führe er ein Leben ohne Druck, er genieße die Zeit, werde weiterhin Pensionär sein und weiterhin bei Sky Spiele kommentieren. Denn: „Da weiß ich genau, heute verliere ich nicht“.

Wie er mit dem enormen Druck umgegangen sei, so eine weitere Frage. Er hatte gelernt Arbeit und Freizeit strikt zu trennen, was ihm sehr geholfen habe. Von einem Zuhörer auf die Bestechungsvorwürfe hinsichtlich der WM angesprochen sagte Ottmar Hitzfeld: „Ohne Zuwendungen bekommt man heute kein Großereignis mehr“. Es sei noch nicht bewiesen, dass Geld geflossen sei, aber wenn, dann erstaune ihn das. Auf Uli Hoeneß angesprochen, sprach er die Presse an, die Hoeneß ausgenutzt habe, gnadenlos mit ihm umgegangen sei und unter der Gürtellinie berichtet habe. Auf den SC Freiburg angesprochen, zeigte sich Hitzfeld zuversichtlich, dass dieser mit Streich wieder aufsteigen werde. Denn: „Das ist auch so ein Fußballverrückter“.

Fazit des Abends: Der große Trainer Ottmar Hitzfeld gab Einblicke, die man im TV so nicht mitbekommen würde. Er selbst hatte gesagt, dass es ihm Spaß macht, Geschichten vor Publikum zu erzählen und diesen Spaß übertrug er auf seine Zuhörer. Seine lockere, herzliche und vor allem humorvolle Art kam überaus gut an. Der Abend wird den Teilnehmern sicher noch lange in Erinnerung bleiben.

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