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„Den Toten ihre Würde wiedergeben“

Gedenkveranstaltung für die im Elbenschwander Wald ermordeten Zwangsarbeiter

Kleines Wiesental (hf). In den letzten Kriegstagen – Ende April 1945 – wurden im Wald oberhalb Elbenschwand fünf Zwangsarbeiter aus Osteuropa von Hitlerjungen des Volkssturms, sogenannten Werwölfen, auf Befehl eines SS-Offiziers erschossen. Die Initiative KuK um Hans Viardot bemüht sich seit Jahren, für diese Toten im Wald einen Gedenkstein zu errichten. In diesem Jahr, siebzig Jahre nach den tragischen Ereignissen, konnte endlich ein solcher Gedenkstein im Rahmen einer Gedenkveranstaltung in der Laurentiuskirche Tegernau symbolisch eingeweiht werden.

den-toten-ihre-wuerde-wiedergeben-meinwiesental-02Die Gedenkfeier wurde von der Initiative KuK in Kooperation mit der politischen Gemeinde, der Kirchengemeinde und den Konfirmanden veranstaltet. „Nicht vergessen, erinnern ist unsere Pflicht“, eröffnete Hans Viardot mit einem Zitat von Heinrich Böll die Feier und erinnerte an die zahlreichen Veranstaltungen, die im Kleinen Wiesental schon durchgeführt worden waren, um die Geschehnisse während der NS-Zeit nicht dem Vergessen anheimfallen zu lassen. Nach dem Vorbild in Hägelberg, wo ebenfalls drei Zwangsarbeiter von Hitlerjungen erschossen worden waren, hat KuK jetzt einen drei Tonnen schweren Granitblock am Hirschkopf zum Gedenken an die ermordeten Zwangsarbeiter aufgestellt. Revierförster Rüdiger Motzke beschrieb das Gelände, wo beidseits des Passwegs zum Wolfacker Geschützunterstände gefunden wurden, die 1945 von den Hitlerjungen und den Zwangsarbeitern ausgehoben wurden. Der Historiker Hansjörg Noe schilderte anhand der von ihm aufgefundenen Dokumente Hintergründe und Hergang der Tat, und nahm detailliert zu den Gerichtsprozessen Stellung, die nach dem Krieg gegen die Hitlerjungen und den Offizier, der den Mordbefehl gegeben hatte, geführt worden waren. (Hierzu berichteten wir separat)

Rektor a.D. Wolfgang Klingenfeld vom Schulzentrum Steinen berichtete über das Projekt am Schulzentrum im Jahr 1995 bis 1997 als 17 Schüler und Schülerinnen des Schulzentrums im Hägelberger Wald einen Gedenkstein an die dort erschossenen Zwangsarbeiter errichten wollten. Mit dem Anliegen, einen solchen Gedenkstein zu errichten und einen Zusatz zur Ortschronik zu verfassen fanden die jungen Leute bei dem damaligen Bürgermeister kein Gehör. Wolfgang Klingenfeld, assistiert von drei Konfirmanden, spielte einen Auszug aus einer SWF-Radiosendung vor, die zu diesen Vorfällen gesendet worden war. Der Rundfunk-Redakteur, dessen Interview-Anfrage vom damaligen Steinener Bürgermeister abschlägig beschieden worden war, rief daraufhin den Bürgermeister an, der ihm zu verstehen gab, dass man fünfzig Jahr nach diesen Ereignissen diese ruhen lassen sollte, dass jedenfalls die Verwaltung keine Veranlassung sehe, hier aktiv zu werden. Danach wandten sich die jungen Leute an Hans-Georg Koger, den damaligen Ortsvorsteher in Hägelberg, der das Projekt nach Kräften unterstützte, und der dafür sorgte, dass ein Stein mit der von den Schülern entworfenen Inschrift versehen und im Wald aufgestellt wurde.

Hinsichtlich der damaligen Haltung der Gemeinde Steinen möge man nicht die Nase rümpfen, ergänzte Hansjörg Noe. Auch er habe nach seinem Vortrag in der Tegernauer Krone in diesem Jahr einen anonymen Brief aus dem Kleinen Wiesental erhalten, in dem man ihm unterstellt habe, „durch seine Schnüffelei nur reich werden zu wollen“. Alle Arbeiten zur NS-Zeit in unserer Region erbringt Hansjörg Noe ehrenamtlich.

Bürgermeister Gerd Schönbett dankte in seinem Grußwort allen Beteiligten für diese Gedenk-Aktion. Nach der Anfrage von Hans Viardot habe er es als seine Pflicht angesehen, als Vertreter der politischen Gemeinde dieses Projekt zu unterstützen. Er erinnerte daran, dass die NSDAP im Jahr 1920 gegründet wurde und nur zwölf Jahre später in der Lage war im damaligen Deutschland die Macht zu übernehmen. Auch heute seien in Deutschland wieder anti-demokratische Tendenzen spürbar, die sich zum Teil an der Flüchtlingsproblematik zeigten. „Wenn wir solchen Tendenzen nicht früh und deutlich entgegentreten, kann es wieder zu einer Katastrophe kommen“, betonte der Bürgermeister, der mit Bedauern feststellte, dass man den Eindruck bekommen könne, dass die Politik mit dem rechten Auge noch immer sehr schlecht sehe.

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den-toten-ihre-wuerde-wiedergeben-meinwiesental-05Noch erschütternder als der Bericht von Hansjörg Noe war die Umsetzung, welche die Konfirmanden nach der Auseinandersetzung mit dem Bericht selbst entwickelt hatten. Lautlos, in einer Pantomime stellten sie das Geschehen dar. Gemeinsam schaufelten die jungen Leute im Wald, gemeinsam verbrachten sie die Freizeit, lernten sich kennen, sangen und tanzten miteinander, dann schickten einige die anderen weg und erschossen sie von hinten. In der Laurentiukirche herrschte völlige Stille. Dann formierten sich die Konfirmanden vor dem Altar und gedachten namentlich jedes einzelnen der Erschossenen.

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