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Neueste Erkenntnisse von Werner Störk zum Verteidigungssystem rund um Neuenweg

Schlossboden in Neuenweg verlangt grundsätzliche Neubewertung der Schanzenanlagen

Kleines Wiesental (hf). In seinem neuesten Vortrag über das Verteidigungssysstem mit verschiedenen Wall- und Schanzanlagen rund um Neuenweg präsentierte Werner Störk ganz neue Erkenntnisse und Hypothesen zu den Anlagen bei Neuwenweg, die die zahlreichen Zuhörer beim Krone-Frühschoppen am vergangenen Sonntag während mehrerer Stunden in Atem hielten. Wichtigste Erkenntnis war, dass der neu entdeckten Anlage auf dem Neuenweger Schlossboden wohl eine entscheidende Bedeutung zukommt, die bisher in der historischen Forschung nicht hinlänglich beachtet werden konnte.

Seit 2002 erforscht Werner Störk nicht nur Mineralogie und Bergbau in unserer Region, sondern er hat sich besonders um die Erforschung der Schanzanlagen des so genannten „Türken-Louis“, über die Region hinaus in der Geschichtsforschung einen Namen gemacht. Durch immer wieder neue Hinweise aus der Bevölkerung, in Neuenweg besonders durch die Hinweise von Erwin Eiche, konnten die vorliegenden Erkenntnisse über die Anlagen auf dem Hau entscheidend ergänzt und komplettiert werden. Das Auffinden bisher nicht bekannter Anlagen auf dem Schlossboden ermöglicht jetzt, nach Werner Störk, eine völlig neue Bewertung des Verteidigungssystems rund um Neuenweg.

Neuenweg ist durch die west-östliche Verbindungsachse über Eckpass und Haupass sowie über die Achse Kleines Wiesental – Hochrhein / Schweiz als strategisch wichtiger Knotenpunkt bekannt. Die Erkenntnis, dass der Silberbergbau im Hinteren Kleinen Wiesental weitaus ergiebiger (und einträglicher) war, als in der Literatur belegt, lässt vermuten, dass die Herren von Rötteln schon im 13. Jahrhundert ihre Präsenz in Neuenweg sichtbar dokumentieren und demonstrieren wollten. Das Gewann „Schlossboden“ nordwestlich vom Dorf Neuenweg legt die Vermutung nahe, dass hier ein mittelalterlicher Wohn- und Wehrbau bestand.

Der „Schlossboden“ liegt unmittelbar an einem Passweg und an der engsten Stelle des ganzen Tales. Es ist der einzige Punkt, von dem aus alle relevanten Beobachtungs –und Kontrollpunkte visuell und räumlich schnell erreicht werden können. Bei aufwändigen Begehungen vor Ort, Vermessungen und Lidar-Aufnahmen konnte Werner Störk im Gelände eine gewaltige Ringwall-Anlage auf dem Schlossboden mit Eck und Nordflanke des Spitzkopfs nachweisen. Die Gesamtfläche der Anlage umfasst 186.000 Quadratmeter mit einer Gesamtlände der Wall- und Kommunikationsanlagen von 4.100 Metern. Nach den Begehungen und den von Werner Störk vorgenommenen Nachbauten am Modell zeigt sich eine idealtypische Festungsanlage, die über Jahrhunderte hinweg als „Schlüssel“ für das Neuenweger Verteidigungssystem angesehen werden kann. „Da der Schlossboden für die Anlage eines Bolzplatzes aber teilweise begradigt und eingeebnet wurde, kann eine endgültige Klarheit über diese Annahme erst durch eine professionell geführte Grabung hergestellt werden“, erläuterte Werner Störk bei seinem Vortrag.

Eine graphische Einordnung des „Schlossbodens“ in das Schanzsystem bei Neuenweg lässt diese Annahme fast als Gewissheit erscheinen. Alle Schanzanlagen – ob Stern- oder Viereckschanze auf dem Hau, Holderschanze oder Spitzkopf – sind vom Schlossboden aus einsehbar. Gleichzeitig boten Hau, Holder, Eck und Schlossboden eine ideale Sicherung aller Pässe. Da der „Schlossboden“ außer halb der Verteidigungslinie des „Türken-Louis“ liegt, darf angenommen werden, dass der Schlossboden – auch wegen seiner herausgehobenen strategischen Lage – der Ort war, von dem aus die weiteren Anlagen geplant wurden. Bei allen späteren Kriegszügen aus Frankreich über das Territorium der Markgrafschaft über Neuenweg in den Bereich des katholischen Habsburgerreichs (Schönau) zeigt sich die überragende Bedeutung der Anlage des Schlossbodens für die Verteidigung der Pässe bei Neuenweg.

„Damit ist die Bedeutung Neuenwegs als verkehrspolitischer, geopolitischer, mineralogischer und konfessioneller Dreh- und Angelpunkt sowie als militärisch-strategischer Brückenkopf über die Jahrhunderte belegt“, hielt Werner Störk zum Schluss seines Vortrags fest. „Und mit dem Ensemble der Schanz- und Verteidigungsanlagen mit dem Schlossboden als strategischem Schlüssel besitzt Neuenweg ein historisches Alleinstellungsmerkmal ohne Gleichen.“

Werner Störk ist nicht nur als Forscher und begnadeter Präsentator eine Ausnahme-Erscheinung. Auch als Mahner der Gegenwärtigen und als Kämpfer für eine weiterhin gewaltfreie Zukunft macht er sich verdient.  So erinnerte er seine Zuhörer am Sonntag, dass die norwegische Akademie der Wissenschaft schon 2008 errechnet hat, dass seit dem Jahr 3.600 vor Chr. Insgesamt 14.513 Kriege stattgefunden haben, bei denen es drei Milliarden 66 Millionen Tote gab. Von den genannten 5.508 Jahren waren nur 293 Jahre ohne Krieg. Die Jahre von 1945 bis 2008 (63 Jahre) entsprechen etwa 22 Prozent dieser 293 kriegslosen Jahre. „Das mag uns erinnern, wie privilegiert wir in dieser friedvollen Zeit leben, und mag uns Verpflichtung sein, diese Zeit fortzusetzen“, lautete das Schluss-Plädoyer von Werner Störk.

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